da meine Aufmerksamkeit nicht nur auf klassische Touri- Highlights und reine Fakten gerichtet ist, schreibe ich gerne auch über Dinge, die womöglich nicht jedem Besucher auffallen. Mein Bericht über Tokio geht so:
Genauer gesagt geht es hier heute um die Orte Shibuya, Shinjuku und Asakusa.
Kurz zu Tokio an sich: Tokio ist nicht eine große gebündelte Stadt, sondern eine Präfektur. Das heißt ein größeres Gebiet, das wiederum aus verschiedenen Städten/ Orten besteht. Von meinem Wohnort aus brauche ich dorthin 30 bis 60 Minuten, abhängig davon, wohin genau ich möchte. Zwar wohne ich jetzt in Japan, aber ich sehe neue Orte schon aus der Reisenden- Perspektive. Meistens nehme ich mir das Wochenende die Zeit, meine Umgebung zu erkunden.
Shibuya
Wenn man Tokio googelt dann kommt man an Shibuya eigentlich nicht vorbei. Ich dachte, bevor ich hierher gezogen bin, dass DAS Tokio ist. Shibuya hat einen eindrucksvollen Shoppingbereich:
Es gibt dort Designerläden, aber auch die bekannten europäischen Klassiker. Die Leute wirken zu einem großen Teil sehr stylish und ich habe diesen Cyberpunkstyle wiedererkannt, den ich teilweise mit Tokio assoziiere. Find ich toll, mal sehen ob ich mir davon was abgucken kann. Shibuya ist mehr oder minder bekannt für seinen Kommerz.
Ein paar Straßen weiter findet man kleine günstigere Läden. Dort gibt es zum Beispiel eine Passage, die mich ein bisschen an Kirmes erinnert. Kitsch,grelle Farben, Süßigkeiten, abgefahrene Plateau- Schuhe an allen Ecken und Enden. Ein krasses Kontrastprogramm mit seinem ganz eigenen Charme. Sowieso ist das, was ich als Kontrast beschreiben würde, in Tokio nicht konträr. Hier findet alles nebeneinander statt. Ein Tempel neben den Designerläden. Eine grelle, kirmesartige Passage neben Ikea. Und daneben ein Park zum Spazierengehen.
In Shibuya befindet sich auch der bekannte Meiji Shingu- Schrein. Dieser ist umgeben von einer wunderschönen Natur. Neben dem Schrein, der an sich schon beeindruckend ist, gibt es dort einen Baum, an den man Holztäfelchen mit persönlichen Gebeten aufschreiben kann. Eine schöne Geste.
Da ich nicht religiös bin, bete ich nicht an die Götter, die mit Religionen in Verbindung gebracht werden.
Trotzdem berühren mich betende Menschen. Ich habe immer das Gefühl, dass ich einem besonderen Moment beiwohne, wenn jemand zu seinem Gott betet. Ich hatte mal irgendwo gehört, dass Religion in Japan keine besonders große Rolle spielt. Trotzdem sind die Schreine und Tempel immer ganz gut besucht.
Und jetzt hätte ich fast das Shibuya Crossing vergessen. Dabei handelt es sich um eine Kreuzung, die man von mehreren Seiten aus überqueren kann. Was dabei als besonders eindrucksvoll gilt, ist, dass irrsinnig viele Fußgänger diese Kreuzung gleichzeitig überqueren können. Mein Enthusiasmus für diesen Platz hält sich in Grenzen, weil mich viele Menschen auf engem Raum überfordern. Trotzdem spannend, das mal gesehen zu haben. Wieso nicht.
Shinjuku
Ist bisher mein Tokio- Liebling. Dorthin bin ich jetzt schon mehrfach zurückgekehrt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es dort einen wahnsinns Kunstladen gibt, der aus sechs Stöcken besteht. Leider hab ichs immer nur bis zum zweiten Stock geschafft, danach war ich pleite;)
In Shinjuku habe ich letztens eine Galerie besucht, die sich in einer sehr großen luxuriösen Shoppingmall,in der obersten Etage befand. Mein erster Gedanke über die Wahl dieser Platzierung war, dass in diesem Fall, Kunst wie ein Luxusgut behandelt wird.
In der Galerie waren unter anderem Werke von Yayoi Kusama, wohl eine der
bekanntesten japanischen Künstlerinnen, zu
sehen. Ich liebe ihre Kunst. Auch ihre Lebensgeschichte ist wahnsinnig interessant. Ich habe über sie gelesen, dass sie seit einigen Jahren freiwillig in einer psychiatrischen Einrichtung lebt. Dass sie aus ihrer mentalen Gesundheit nie ein Geheimnis gemacht hat, finde ich bemerkenswert. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das in Japan (wahrscheninlich weltweit) noch ein großes Tabuthema ist.
Ihre Kunst, deren Wiedererkennungsmerkmal polka dots sind, wirkt auf mich total spacig, lebendig und vereinnahmend im positiven Sinne. Ihre Kunst enthält unheimlich viele Details. In Shinjuku ist auchYayoi Kusamas eigenes Museum, was ich demnächst besuchen werde.
Abgesehen davon gibt es in Shinjuku schöne Cafés, die für mich einen Ruhepol, neben den auch hier vorhandenen gigantischen kommerziellen Gebäuden und, je nach Tageszeit, sehr vielen Menschen, darstellen.
Asakusa
Asakusa ist dafür bekannt, dass es sich hier um einen traditionelleren Ort in Tokio handelt. Es gibt dort einen wunderschöne Schrein sowieTempel, die bisher zu meinen Favoriten gehören.
In der Umgebung gibt es typische Restaurants, kleinere ruhige Straßen und hier haben A. (mein Partner) und ich auch das erste mal Okonomiyaki gegessen.
Das hat uns geschmacklich so vom Hocker gehauen, dass wir es danach mehrfach nachgekocht bzw. gebraten haben! Ein Rezept davon findet du zB. hier.
Falls du nicht alle japanischen Zutaten hast: die wichtigsten Zutaten sind Kohl, Eier, Mehl und eine Sauce, die dir schmeckt als Topping. Das hier am Rande: Beim Kochen improvisiere ich immer frei Schnauze und das kann ganz schön kreativ sein. Also trau dich auch!
(<- mein erstes Okonomiyaki)
In Asakusa habe ich außerdem ein paar Japanerinnen im traditionellen Kimono gesehen, die sich für eine Fotosession in Szene gesetzt haben. Im Alltag trägt hier niemand einen Kimono, für diejenigen die dieses Bild im Kopf haben.
Tokio hat viele Gesichter
Da Tokio aus verschiedenen Orten besteht, ist diese Metropole sehr vieles, aber nicht eintönig. Ein paar Ecken in Shibuja und Shinjuku erinnern mich an eine Art Disneyland. Sie sind bunt und belebt und viel weniger „schlicht und aufeinander abgestimmt“ als es einige Städte in Deutschland und Europa sind. Teilweise kommen mir diese Teile Tokios total surreal vor.
Hier sind außerdem, ähnlich wie in China, oft große Menschenmengen unterwegs. Japaner scheinen, was das betrifft, ziemlich kontrolliert und rücksichtsvoll zu sein .
Ich hatte trotz Menschenmasse bisher nicht das Gefühl zerquetscht, oder angerempelt zu werden oder mich nicht frei bewegen zu können. In China habe ich mich diesbezüglich etwas ruppiger behandelt gefühlt.
Die Lebendigkeit Tokios führt bei mir auch dazu, dass es mich reizüberlutet. Meinem Gehirn fehlt dieser Filter, wichtige von unwichtigen Eindrücken zu unterscheiden. Einfach erstmal alles ungeprüft inhalieren.
Meistens wenn ich in Tokio ankomme, starre ich also anfangs nach oben zu den bunten Gebäuden und bekomme sonst nicht viel von mir selbst und anderen mit.
Trotzdem ist Tokio für mich sehr reizvoll, weil es dort unendliche Entdeckungsmöglichkeiten gibt. Traditionelles und Modernes. Luxus neben Schlichtheit. Viele Menschen und wenig Hektik.
Gegensätze sind das nur aus einer „westlichen“ Perspektive.
Bald mehr und alles Liebe aus Chiba,
Sigi
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